Die Flucht Robert Ospalds und seines Freunds Zdeněk Pohl nach Österreich an den Drähten einer Hochspannungsleitung war 1986 eine regelrechte Sensation. Ospald war damals 35 Jahre alt, Pohl 20 Jahre.
Journalisten aus mehreren Ländern schrieben über sie, ihre Bilder erschienen im Fernsehen, und ein paar Wochen konnten sie ihren Ruhm genießen. Ihre Flucht auf eigens zu diesem Zweck heimlich zu Hause angefertigten seilbahnartigen Sitzen gehörte zu den spektakulärsten Überquerungen des Eisernen Vorhangs überhaupt.
So ist es denn kein Wunder, dass der von Zdeněk Pohl genutzte Sitz heute im Mauermuseum am Checkpoint Charlie in Berlin zu sehen ist.
Die Idee kam ihnen ganz zufällig. Als Ospald einmal mit dem Bus unterwegs war, fiel sein Blick auf die Drähte einer Hochspannungsleitung. Ihm fiel ein, dass sie auch in den Westen führen könnten. In einem Physiklehrbuch stieß er auf die Information, dass die Stromnetze Österreichs und der damaligen Tschechoslowakei verbunden waren. Und er wusste auch, dass die obersten Kabel keine Spannung führten, sondern nur technischen Zwecken dienten. Die übrigen Drähte standen jedoch unter einer Spannung von 380 000 Volt!
So entschlossen sich die beiden, an einem gut versteckten Ort in der Tschechoslowakei ihren Plan zu testen. Hierzu fertigten sie sich nach eigenem Entwurf zwei spezielle Sitze mit Rollen an. Mehrere Male mussten sie erfolglos aufgeben. Doch inzwischen wussten sie bereits, wo die Drähte die Grenze queren. Sie waren die ganze Grenze mit dem Zug abgefahren. Zwischen Břeclav und Znojmo führt die Bahnstrecke abschnittsweise in unmittelbarer Grenznähe. Sie saßen im Zug und schauten aufmerksam aus dem Fenster. Auf die Hochspannungsleistung stießen sie erst kurz vor Znojmo.
Die Strecke zwischen zwei benachbarten Masten mit ihrer Seilbahn zu überwinden, war nicht einfach und dauerte mehrere Stunden. Am 19. Juli 1986 gelang ihnen die Flucht. Hoch über dem Boden überquerten sie die Stacheldrahtabsperrungen, um am nächsten Mast hinabzusteigen, durch ein Maisfeld zu rennen – und sie waren in Österreich. Die erste Aufschrift auf deutsch versetzte sie in einen Freudentaumel. Auf dem Schild stand etwas in dem Sinne, dass landwirtschaftlichen Fahrzeugen die Durchfahrt erlaubt ist.
Mehr erfahren Sie in folgendem Buch: Příběhy železné opony 1 – Luděk Navara, Nakladatelství HOST. (Geschichten des Eisernen Vorhangs 1 – Luděk Navara, Verlag HOST)
Fotobeilagen
Archivbilder – die zeitgenössische Presse
Schema der Hochspannungsleitung
Fotos aus dem Archiv von Robert Ospald – der Ort Haugsdorf
Routenvorschlag
- Dyjákovičky
- Wegkreuzung U Ivana
- Staatsgrenze (entlang der Hochspannungsleitung)
- Haugsdorf