Der Grenzsoldat Jaroslav Kunc hatte große Sehnsucht, endlich wieder nach Hause zu kommen. Doch es herrschte eine strenge Dienstordnung, und Urlaub bekam nur, wer sich besonders verdient gemacht hatte. Aus einem Brief seiner Frau wusste Kunc, dass seine kleine Tochter bereits zu laufen begann, und es schien ihm nichts wichtiger, als diese ersten Schritte mit eigenen Augen mitzuerleben. Er wusste jedoch, dass ein Grenzsoldat dann Urlaub bekommt, wenn er einen unerlaubten Grenzübertritt vereitelt – sozusagen als Belohnung. So reifte in ihm ein wahnsinniger Plan: unter dem Vorwand, dass dieser einen Fluchtversuch unternommen habe, wird er seinen Kameraden erschießen, der mit ihm den Wachdienst leistet.

Kunc machte seinen Plan tatsächlich wahr. Am 6. Juni 1956 erschoss er heimtückisch seinen slowakischen Kollegen Štefan Pugzík. Tatort war das Flusstal der Thaya unweit von Znojmo, wo sich heute der Nationalpark Thayatal befindet. Die Schüsse kamen völlig unerwartet, Pugzík war auf der Stelle tot.

Seine wahnsinnige Tat beging der zwanzigjährige Kunc wirklich nur, um nach Hause zu kommen. Dieser außerordentlich tragische Vorfall illustriert, welche Beziehungen und welche Atmosphäre bei den Grenztruppen herrschten und welchem Druck die von ihren Familien getrennten jungen Männer offensichtlich ausgesetzt waren.

Zu Beginn der Ermittlung waren die Umstände alles andere als klar. Niemand wusste, was am Tatort vorgefallen war. Es war genau zwölf Uhr mittags, als sich die beiden mit Maschinenpistole und Gewehr bewaffneten Männer zu einem Patrouillengang an der österreichischen Grenze aufmachten. Unten im Tal brauste die Thaya. Um vier Uhr erschienen die beiden wieder bei ihrer Kompanie, um etwas später zu einer Kontrolle der Stacheldrahtverhaue aufzubrechen. Die letzten Personen, die vor dem schicksalhaften Augenblick mit Kunc und Pugzík sprachen, waren zwei Soldaten, die auf dem Beobachtungsposten Wache hielten. Es war kurz vor sechs Uhr abends.

Danach waren die beiden unter sich. Dann war ein Schuss zu hören. Nach einer mehrfachen, komplizierten Vernehmung gestand Kunc schließlich den Mord – und fügte hinzu: „Zu meiner Verteidigung möchte ich vorbringen, dass ich die Tat deshalb verübt habe, um einen Urlaubsschein zu erhalten.“


Fotobeilagen

Forsthaus Kratochvílova hájenka
Forsthaus Kratochvílova hájenkaForsthaus Kratochvílova hájenka

Štefan Pugzík - Archivbilder
Štefan PugzíkŠtefan PugzíkŠtefan PugzíkŠtefan PugzíkŠtefan PugzíkŠtefan Pugzík


Routenvorschlag

  1. Podyjí
  2. Forsthaus Kratochvílova hájenka (später Objekt der Grenzwache unter dem Namen Hájenka)
  3. Verlauf des einstigen Kolonnenwegs zur Thaya